Die Welt verbessern - Teil I

Erschienen am: 21. Juni 2021 in Internationale Gerechtigkeit
Ein Stickerbogen mit Fairtrade-Stickern
Es war einmal vor 25 Jahren, da gründete die DPSG zusammen mit anderen konfessionellen Jugendverbänden den TransFair e.V., heute bekannt als Fairtrade Deutschland. Die Mitglieder des Bundesarbeitskreises Internationale Gerechtigkeit haben sich auf Spurensuche begeben und ehemalige Mitglieder des Bundesarbeitskreises Entwicklungsfragen interviewt, wie es mit dem fairen Handel in der DPSG begann.

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Es war einmal vor 25 Jahren, da gründete die DPSG zusammen mit anderen konfessionellen Jugendverbänden den TransFair e.V., heute bekannt als Fairtrade Deutschland. Die Mitglieder des Bundesarbeitskreises Internationale Gerechtigkeit haben sich auf Spurensuche begeben und  ehemalige Mitglieder des Bundesarbeitskreises Entwicklungsfragen interviewt, wie es mit dem fairen Handel in der DPSG begann. 

Porträtfoto von Peter Meiwald

1. Ihr wart Anfang der 1980er Jahre im Bundesarbeitskreis Entwicklungsfragen (heute: Internationale Gerechtigkeit). Was waren zu der Zeit die wichtigsten Themen?
Ich war von 1993 bis 1996 Bundesreferent für Entwicklungsfragen. In der Zeit ging es u.a. um Kinderrechte weltweit, um die große Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“, um die Weiterentwicklung unserer internationalen Partnerschaften vor allem mit der ASB in Bolivien, den AST in Togo und der ASR in Ruanda sowie die Unterstützung von Süd-Süd-Partnerschaften. Prägend für die Zeit war aber die Solidarität mit den Menschen und Pfadfinder*innen in Ruanda. Zunächst unterstützten wir im Rahmen der Jahresaktion „Komera Rwanda“. Ab 1994 folgte die große Solidaritätsaktion der DPSG mit den Opfern des Genozids in Ruanda – inklusive der Evakuierung und Aufnahme von 20 Ruander*innen bei uns. Gerade am Beispiel Ruandas, das im Gefolge der Verschuldungskrise auf Druck der Weltbank und der Regierungen unserer Industrieländer auch den Kaffee-Garantiepreis für die Kleinbauern aufgeben musste, wurde klar erkennbar, welche verheerende Wirkung diese Maßnahme als Treiber der rassistischen Radikalisierung hatte. Faire Erzeugerpreise hätten da vielleicht manche Eskalation vermeiden können.

2. Vor 25 Jahren wurde TransFair e.V. gegründet. Die Jugendverbände waren maßgeblich daran beteiligt. Was waren eure Ziele, als die DPSG (bzw. der BDKJ) Mitglied geworden ist?
Unsere konkreten Erfahrungen mit unseren Partnern aus dem globalen Süden haben jeden Tag aufs Neue deutlich gemacht, dass „Entwicklung“ und „Gerechtigkeit“ nicht vorrangig Fragen von „Projekten“ sind, sondern etwas mit unserem Konsumverhalten und unfairen Welthandelsbeziehungen zu tun haben. Hier nicht nur „symbolhaft“ fairen Handel dagegen zu setzen, sondern auch in den konventionellen Handel vorzudringen, um Veränderungsprozesse voranzutreiben, war unsere Motivation.

3. Gab es zu eurer Zeit im Arbeitskreis Widerstände beim Thema fairer Handel und Gründung von TransFair? Wie seid ihr diesen begegnet?
Natürlich haben auch wir untereinander intensiv die Frage diskutiert, ob es fairen Handel in konventionellen Handelsstrukturen geben kann oder ob man mit der Übernahme der Max Havelaar-Idee in Deutschland dem Greenwashing von Konzernen Vorschub leistet. Am Ende hat für uns der Blick auf die Freund*innen in den Erzeugerländern den Ausschlag gegeben. Wir wollten ihre Besserstellung nicht unseren Skrupeln unterordnen – die Debatte aber haben wir lange und immer wieder geführt.

4. Der faire Handel hat in den letzten 25 Jahren eine beispiellose Entwicklung gemacht: Die Deutschen geben etwa eine Milliarde Euro pro Jahr für fair gehandelte Produkte aus. Hättet ihr das vor 25 Jahren gedacht?
Eigentlich gab es auch vor 25 Jahren schon Untersuchungen, dass 15 oder gar 25 % der Bevölkerung prinzipiell bereit wären, ethisch einzukaufen (und sich das ggf. auch etwas mehr kosten zu lassen). Insofern ist auch das heutige Umsatzvolumen eigentlich eher eine Enttäuschung. Wir müssen uns fragen, wie es uns gelingt, die prinzipielle Bereitschaft der Menschen in konkretes Tun zu transformieren. Denn trotz vieler toller Projekte und einiger Erfolge ist diese Frage noch immer weitestgehend unbeantwortet.

5. Bedeutet fairer Handel heute noch das gleiche wie früher? Was hat sich geändert?
Das Grundprinzip gilt für mich heute noch, aber natürlich haben sich auch unsere Ansprüche weiterentwickelt. Neben der sozialen Frage auf Produzentenseite kommen immer mehr ökologische Ansprüche hinzu – und auch die weitere Entwicklung der Lieferkette bis hin zur Ökologisierung der Transportwege gelangen ins Blickfeld.

6. Auch wenn der faire Handel viel erreicht hat, auch bekannte Produkte wie Kaffee haben immer noch einen Marktanteil von nur 3%. Glaubt ihr, dass fairer Handel „Normalität“ werden kann? Was muss dafür passieren?
Freiwilligkeit hat einiges erreicht. Aus meiner Sicht ist die Forderung nach ökologischen und sozialen Mindeststandards im Handelsregime der WTO auch nach 25 Jahren hoch aktuell. Dinge und Strukturen, die als inhuman und falsch erkannt werden, müssen letztlich auch mit Ordnungsrecht bekämpft werden. Der faire Handel zeigt ja beispielhaft, dass davon die Welt keinesfalls zusammenbrechen wird. In der Praxis bleibt es weiterhin schwierig. Wir müssen nicht nur mit den Menschen bei uns über Gerechtigkeit sprechen, sondern in den Köpfen durchzusetzen, dass damit notwendigerweise auch höhere Preise und auch ein Überdenken unseres Konsumverhaltens verbunden sein müssen. Fragen von Lebensstil und eines notwendigen Endes des Glaubens an grenzenloses Wachstums müssen viel mehr Eingang in die gesellschaftlichen Debatten finden.

7. Heute ist die DPSG seit acht Jahren in Vorstand bzw. Aufsichtsrat des Vereins beteiligt und bringt sich immer wieder in die vereinspolitischen Prozesse ein. Wie habt Ihr Euch in den Anfangsjahren bei TransFair beteiligt?
Wir hatten ein AK-Mitglied in die TransFair-Gremien entsandt. Außerdem haben wir z. B. eine Arbeitshilfe zum fairen Einkauf für Gruppenleiter*innen der DPSG und entsprechende Aufkleber erstellt. In unserer pädagogischen Arbeit im Verband haben wir immer wieder die konkreten Handlungsoptionen für fairen Einkauf für Zeltlager etc. thematisiert.

8. Auch nach 25 Jahren kauft nicht jeder DPSG-Stamm Fairtrade-Produkte. Mit der Kampagne Fairtrade-Scouts wollen wir das zusammen mit TransFair und Misereor ändern. Wie habt ihr das Thema fairer Handel in die DPSG eingebracht? Was war früher anders?
(s. Antwort zu Frage 7) Heute bin ich in der praktischen Arbeit leider nicht mehr so involviert, dass ich einen Vergleich leisten könnte.

9. Was wollt ihr der DPSG zu dem Thema noch mit auf den Weg geben?
Fairer Einkauf und Konsum muss für alle DPSG-Aktivitäten selbstverständlicher Standard sein, und es gibt weit mehr als fairen Tee und Kaffee!

 

Wer die Arbeit unterstützen und die Idee des fairen Handels in die Stämme transportieren möchte, kann sich als Fairtrade-Scout engagieren. Infos dazu findet ihr hier: www.fairtrade-scouts.de.