
Positionspapier zur Geschlechtergerechtigkeit
Dieser Beschluss ist die Position unseres Verbandes zur Geschlechtergerechtigkeit und sexuelle Vielfalt. Das Papier wurde von einer Arbeitsgruppe auf Bundesebene erarbeitet und auf der 87. Bundesversammlung beschlossen. Die Position ist ein Wegweiser für ein diskriminierungsfreies Pfadfinden unter dem Regenbogen.
Look at the child – with its sex, gender and sexual orientation
Wir, die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg, bekennen uns in unserer Ordnung klar und deutlich zu Werten, die wir in unserer pädagogischen Arbeit vermitteln wollen. Das vorliegende Positionspapier ist als Konkretisierung dieser Verbandsordnungund aufgrund weiter gehender Reflexionsprozesse im Verband als Weiterentwicklung bisheriger Positionen zu verstehen. Es ergänzt die Ordnung und ersetzt das bisherige Positionspapier der DPSG zum Thema Geschlechtergerechtigkeit.
Geschlechter und Rollenbilder
Als Pfadfinder*innen begegnen wir Menschen unterschiedlicher Geschlechter mit der gleichen Offenheit:
„Sie sind tolerant und offen gegenüber anderen Kulturen, Nationen und Religionen, Menschen jeden Geschlechts, mit und ohne Behinderung und unterschiedlicher sexueller Orientierungen. Menschen mit anderen Lebensentwürfen erfahren sie als Bereicherung für die eigene Lebensgestaltung.“ (Ordnung, Menschenbild)
In der Verbandsordnung sprechen wir klar und deutlich von „jedem Geschlecht“, denn wir erkennen an, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Damit beziehen wir uns nicht nur auf biologische Ausprägungen, sondern auch auf soziale und kulturelle Dimensionen, die die Frage nach dem Geschlecht eines Menschen mit sich bringt. Dabei geht es uns nicht darum, die Kategorie Geschlecht aufzulösen, sondern die Vielfalt der Menschen anzuerkennen und ihr Potential auszuschöpfen. Wir sehen die Unterschiedlichkeit der Menschen als Chance und Bereicherung für die Gruppe an; hier können sich alle mit ihrer jeweiligen Perspektive und ihren jeweiligen Kompetenzen einbringen und voneinander profitieren.
„Wir befähigen unsere Mitglieder, Aufgaben nach eigenem Interesse und den persönlichen Kompetenzen unabhängig von traditionellen Geschlechterrollen, -stereotypenund -klischees zu übernehmen.“ (Ordnung, Kennzeichen Pfadfinderischer Erziehung)
Wir lehnen eine voreilige Zuordnung von Eigenschaften zu Menschen bestimmter Geschlechter oder sexueller Orientierungen entschieden ab. Das bedeutet, dass wir uns mit klassisch zugeschriebenen Geschlechterrollen auseinandersetzen. Doch für uns gibt es kein „typisch männlich“ oder „typisch weiblich“, weil wir vorherrschende Rollenbilder kritisch hinterfragen und sie überwinden wollen. Wir bestärken und unterstützen (junge) Menschen bei der Findung ihrer eigenen Identität und lassen ihnen dabei den Freiraum, den sie jenseits tradierter Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit benötigen. Im Verband können sie ungeachtet ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung eine Vielfalt von Erfahrungen machen, gleich welcher Geschlechterrolle diese Erfahrungen klassischerweise zugeordnet würden. Innerhalb der gemischtgeschlechtlichen Leitungsteams und Vorstände gibt es positive Vorbilder die sich ihrer Geschlechtsidentität bewusst sind und diese leben.
Im Verband setzen wir uns für die Repräsentation aller Geschlechter ein. So streben wir an, dass Leitungs-und Vorstandsämter stets gemischtgeschlechtlich besetzt werden. Innerhalb von Gruppen und Gremien sorgen wir für eine transparente Entscheidungsfindung und angemessene Beteiligungsmöglichkeiten. Dabei berücksichtigen wir, dass Menschen unterschiedlicher Geschlechtsidentität unterschiedliche Vorerfahrungen und -prägungen mitbringen und somit bisweilen unterschiedliche Handlungsweisen bevorzugen oder sozial erlernt haben. Daher brauchen sie gegebenenfalls unterschiedliche Rahmenbedingungen oder Methoden, um gut mitwirken zu können.
Gleichberechtigung und Einsatz gegen Diskriminierung
Geschlechtergerechtigkeit bedeutet für uns in diesem Zusammenhang, dass wir allen Geschlechtsidentitäten und Lebensentwürfe als gleichwertig begegnen. Damit betonen wir, dass es Unterschiede zwischen Menschen gibt, diese aber keine Bedeutung für die Würde oder die Rechte eines Menschen haben. In der Wahrnehmung der ihnen zustehenden Rechte dürfen Menschen auf keinen Fall auf Grund ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung eingeschränkt oder gar behindert werden. Wir begegnen allen Menschen offen, mit Respekt und Wertschätzung.
Als Pfadfinder*innen setzen wir uns gegen jede Form der Diskriminierung –ob bewusst oder unbewusst –und Exklusion ein. Verhaltensweisen, die eine Abwertung eines anderen Geschlechts oder einer anderen sexuellen Orientierung offenlegen, werden nicht toleriert und gemeinsam mit der Gruppe bearbeitet.
Lebendige Auseinandersetzung
„Von ihren Leiterinnen und Leitern werden [unsere Mitglieder] unterstützt, sich selbst zu verwirklichen, um über das klassische Rollenverständnis hinauszuwachsen. Pfadfinderinnen und Pfadfinder sind offen gegenüber Menschen jeder Geschlechtsidentität und unterschiedlicher sexueller Orientierung.“ (Ordnung, Kennzeichen pfadfinderischer Erziehung)
Die Frage nach dem eigenen Geschlecht und der eigenen sexuellen Orientierung ist wesentlich mit der eigenen Identitätsbildung verwoben. Daher empfinden wir eine Auseinandersetzung mit diesen Themen in den Gruppen der DPSG als sehr bedeutend. Geschlecht und sexuelle Orientierung gehören zur Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen und haben daher ihren Platz im Gruppenstundenalltag und in der Ausbildung von Leiter*innen. Durch die Ausbildung sollen Leiter*innen in die Lage versetzt werden, geschlechtersensible Angebote für ihre Gruppen zu gestalten. Darüber hinaus ist eine Sensibilität gegenüber den unterschiedlichen Bedürfnissen und Interessen der Mitglieder des Verbands auf allen Ebenen wichtig, hierfür tragen die jeweiligen Vorstände Sorge. Auch die Ausbildungsveranstaltungen selbst sind offen für alle Leiter*innen und werden entsprechend ihrer gemeinsamen und unterschiedlichen Bedürfnisse gestaltet.
Politisches Engagement
„Als Pfadfinderin oder Pfadfinder sind wir politisch und politisch aktiv. Auf Grundlage unserer pfadfinderischen und christlichen Werte entwickelt jede und jeder eine Meinung zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Wir habe eine Stimme, die wir erheben. Das tun wir, indem wir öffentlich Stellung beziehen, für unsere Meinung eintreten und Gesellschaft mitgestalten.“ (Ordnung, Handlungsfelder)
Für uns endet das Engagement für Gleichberechtigung und geschlechtergerechtes Handeln jedoch nicht innerhalb der Verbandsgrenzen. Wir setzen uns darüber hinaus für ein tolerantes Miteinander ohne Diskriminierung ein und erheben unsere Stimme, wo dieses Miteinander angegriffen wird. Wir unterstützen Verbandsmitglieder, die sich öffentlich für diese Ziele einsetzen.
Look at the child
„Im Sinne des Leitspruchs ‚look at the child‘ haben die Leiterinnen und Leiter [...] nicht nur die Gruppe als Ganzes im Blick.“ (Ordnung –Leitungsverständnis)
Mitglieder der DPSG streben an, bei jedem Einsatz im oben genannten Sinne geschlechtergerecht zu handeln. Sie nehmen die Bedürfnisse der einzelnen wahr und blicken auf alle Kinder und Jugendlichen so wie sie sind –und agieren entsprechend. Den Menschen in den Vordergrund zu rücken heißt nicht, sein Geschlecht oder seine sexuelle Identität zu vernachlässigen, sondern ihn nicht darauf zu reduzieren und ungerechtfertigte Zuschreibungen vorzunehmen. Es ist die Aufgabe aller Pfadfinder*innen, die hier beschriebene Haltung vorzuleben und adäquat in den Verband sowie in Kirche, Staat und Gesellschaft einzubringen und einzufordern.