Was wäre wenn? - Rollenübung
Thematische Auseinandersetzung und Reflexion
WICHTIG: In dieser Übung werden realistische Rollen eingenommen, dies kann unangenehm für Personen sein, die tatsächlich schon einmal in einer dieser Rollen war oder noch ist. Habt eure Gruppe gut im Blick.
Ziele
- Einstieg in diskriminierende und rassistische Strukturen und Systeme in unserer Gesellschaft
- Förderung Empathie für Menschen mit Fluchterfahrung
- Reflexion der eigenen Privilegien
Zielgruppe
ab Roverstufe (ca. 16 Jahre)
Gruppengröße
ab 5 Personen
Zeit
Ca. 45 min
Materialien
- Ein Rollenzettel pro teilnehmende Person
- Fragen für die Rollen während der Methode
- Infomaterialien bei Bedarf
- großer Raum oder große freie Fläche
Vorbereitung
Rollenzettel vorbereiten.
Für jede Person benötigt es einen Rollenzettel; die Rollen unterscheiden sich in ihrer Herkunft, Bildungsweg, Familiensituation, Alter, aktuelle Lebenssituation, Geschlecht, usw.
Rollenbeispiele:
- Männlich, 14 Jahre alt, homosexuell, 9. Klasse, lebt in Deutschland zusammen mit seinen Eltern in einer Eigentumswohnung
- Weiblich, 15 Jahre alt, bisexuell, 9. Klasse, lebt mit den Eltern in einer Eigentumswohnung
- Weiblich, 24 Jahre alt, alleinerziehende Mutter, zwei Kinder, Herkunft Ukraine, auf der Flucht
- Weiblich, 24 Jahre alt, Studentin, wohnt in einer WG
- Männlich, 22 Jahre alt, Auszubildender, wohnt in einer eigenen Wohnung
- 17 Jahre alt, weiblich, Herkunft Frankreich, Austauschschülerin an einer deutschen Schule
- 16 Jahre alt, männlich, Austauschschüler aus England an einer deutschen Schule
- Männlich, 54 Jahre alt, Arzt, lebt in Deutschland, drei Kinder, verheiratet
- Weiblich, 54 Jahre alt, Verkäuferin, drei Kinder, verheiratet
- Männlich, 47 Jahre alt, Lehrer, Herkunft Syrien, zwei Kinder, verheiratet, lebt seit ein paar Jahren in Deutschland
- Kind, 7 Jahre alt, ein Geschwisterkind, Eltern geschieden, lebt seit ein paar Jahren in Deutschland
- Kind, 9 Jahre alt, Einzelkind, lebt zusammen mit den Eltern in einem Einfamilienhaus
- Weiblich, 18 Jahre alt, macht einen Freiwilligendienst, lesbisch
Fragen vorbereiten.
Beispiele:
- Kannst du eine Ausbildung deiner Wahl machen?
- Kannst du ohne Probleme zur Schule gehen?
- Kannst du dein Zimmer / Wohnung nach deinen Wünschen einrichten?
- Kannst du bedenkenlos deine Großeltern besuchen?
- Kannst du bedenkenlos in deiner Heimat Hobbys nachgehen?
- Kannst du offen und ohne Probleme deine Religion ausleben?
- Kannst du fünf Jahre im Voraus planen?
- Kannst du zum Zahnarzt gehen, wenn du es brauchst?
- Kannst du einfach so in der EU-Grenzen überschreiten?
- Kannst du unbefristet in Deutschland leben?
- Kannst du deinen Wohnsitz frei leben?
- Kannst du dich nach deinen Wünschen ernähren?
- Kannst du deine sexuellen Vorlieben frei auswählen?
- Darfst du bei der Bundestagswahl wählen?
- Gibt es in deiner Heimat freie Wahlen?
- Kannst du dich nachts auf der Straße sicher fühlen?
- Kannst du deinen Lebensunterhalt selbst erwirtschaften?
- Kannst du ohne Schwierigkeiten täglich deinem Beruf nachgehen?
- Darfst du Auto fahren?
- Kannst du eine Familie gründen, wenn du das möchtest?
Ablauf
Hinweis: Diese Übung beruht auf Freiwilligkeit. Man kann jederzeit aufhören oder von Anfang an eine beobachtende Rolle einnehmen.
Alle Teilnehmenden bekommen jeweils eine Rollenkarte; die eigene Rolle muss aber jede*r für sich behalten. Bei Schwierigkeiten der Einschätzung der Lebenssituation der Rolle können Leiter*innen für weitere Erklärungen angesprochen werden
Alle Teilnehmenden stellen sich nach Erhalt ihrer Rollenkarte in einer Linie an einer Startlinie auf. Ein*e Leiter*in stellt nacheinander mehrere Fragen. Immer wenn sie die Frage für ihre Rolle mit JA beantworten können, gehen die Personen einen Schritt nach vorne. Wird die Frage stellvertretend für die zugeordnete Rolle mit NEIN beantwortet, bleibt die Person stehen.
Nach Abschluss aller Fragen, stellen alle Teilnehmenden einmal kurz ihre Rolle vor.
Auswertung
Erste Auswertungsphase:
alle Teilnehmenden bleiben auf ihrer Position im Raum stehen
Die*der Leiter*in stellt Fragen, die der Reihe nach von allen Teilnehmenden beantwortet werden
- Wie hast du dich in deiner Rolle gefühlt?
- Wie ist es, als Erste*r am Ziel zu sein?
- Wie ist es, ständig nicht voran zu kommen?
- Welche Fragen sind dir besonders im Gedächtnis geblieben?
- Bei welchen Fragen konntest du (nicht) vorgehen?
Nach diesen kurzen persönlichen Auswertungen werden die Rollen abgeschüttelt und die Gruppe setzt sich gemeinsam in einen Kreis. Jetzt soll die Erfahrung mit der Realität verglichen werden.
Zweite Auswertungsphase:
Die Auswertung wird wieder durch Fragen moderiert:
- Wie wurdet ihr in eurem Handeln in den jeweiligen Rollen beschränkt?
- Was habt ihr über die Lebensbedingungen von verschiedenen Gruppen in der Gesellschaft erfahren?
- Was war euch nicht bewusst?
- Warum kommen Menschen “voran” bzw. nicht “voran”?
z.B. Bedeutung von Pass, Hautfarbe, Geschlecht, Sexualität, Alter, Religion, sozialer Status, etc. - Welche Möglichkeiten zur Veränderung ihrer Situation haben die verschiedenen Gruppen?
- Worauf haben sie keinen Einfluss?
- Was sollte sich ändern?
- Was können wir ändern?
Je nach Vorwissen in der Runde und individuellem Rede- und Fragenbedarf kann im Anschluss an die Auswertung eine Informationsphase folgen.
Hinweise
Je nach Vorwissen und Altersstufe brauchen einige Teilnehmende unter Umständen etwas Unterstützung, um sich in ihre Rollen einzufinden. Je nach Gruppe sollte Schwierigkeit der Fragen und Komplexität der Rollen individuell angepasst werden.
Sensibilität ist hier sehr wichtig. Reagiert entsprechend auf diskriminierende oder stereotypisierende Aussagen und lasst diese nicht stehen.
Mögliche Varianten
Durch Variation in den Rollen lassen sich neue Perspektiven mittels dieser Methode beleuchten
Durch die Variation der Fragen in der Spiel- und Auswertungsphase lassen sich unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte und Methodenziele setzen
Durch die Anzahl der Fragen lässt sich die Länge der Methode gut anpassen und variieren