Die Welt verbessern - Teil II

Erschienen am: 21. Juni 2021 in Internationale Gerechtigkeit
Ein Jutesack voller Kaffeebohnen mit dem Logo von Fairtrade darin.
Fairtrade Deutschland e.V.
Es war einmal vor 25 Jahren, da gründete die DPSG zusammen mit anderen konfessionellen Jugendverbänden den TransFair e.V., heute bekannt als Fairtrade Deutschland. Die Mitglieder des Bundesarbeitskreises Internationale Gerechtigkeit haben sich auf Spurensuche begeben und ehemalige Mitglieder des Bundesarbeitskreises Entwicklungsfragen interviewt, wie es mit dem fairen Handel in der DPSG begann.

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Es war einmal vor 25 Jahren, da gründete die DPSG zusammen mit anderen konfessionellen Jugendverbänden den TransFair e.V., heute bekannt als Fairtrade Deutschland. Die Mitglieder des Bundesarbeitskreises Internationale Gerechtigkeit haben sich auf Spurensuche begeben und ehemalige Mitglieder des Bundesarbeitskreises Entwicklungsfragen interviewt, wie es mit dem fairen Handel in der DPSG begann.

„Fairer Handel ist nach wie vor ein wichtiges Stichwort. Die kriegerischen Entwicklungen rund um den Erdball haben in den Ursprüngen etwas mit der Machtverteilung zu tun, die sich um wirtschaftliche Ressourcen und Handelsdefizite drehen. Die Überschriften mögen sich verschieben, das Thema des fairen Handels bleibt dem Grunde nach erhalten.“

Heino Seeger
Porträt Heino Seeger

1. Ihr wart Anfang der 1980er Jahre im Bundesarbeitskreis Entwicklungsfragen (heute: Internationale Gerechtigkeit). Was waren zu der Zeit die wichtigsten Themen?
Die Aufarbeitung des Themas Internationale Gerechtigkeit am Beispiel der Entwicklungszusammenarbeit mit ausgesuchten Partner-Pfadfinder*innenverbänden aus Afrika und Lateinamerika war unsere Aufgabe. Diese Zusammenarbeit sollte für unsere Kinder- und Jugendstufen aufbereitet und Teil des pfadfinderischen Lebens werden. Unser Leben in der DPSG sollte sich an den Gegebenheiten unserer Gesellschaft und unserer Kirche ausrichten, die aber auch kritisch hinterfragen, um daraus einen eigenen persönlichen Standpunkt zu formulieren. Aufgrund der langjährigen bestehenden Kontakte zu den Pfadfinder*innenverbänden in Bolivien, Ruanda, Togo, Burkina Faso und Benin wurden diese Beziehungen aufgegriffen und neu begründet. Das Motto war immer: Hilfe zur Selbsthilfe! Oder am Beispiel Ruandas besser ausgedrückt: Ruander*innen entwickeln Ruanda, nicht die Deutschen, denn die entwickeln Deutschland. Es war uns damals sehr wichtig, dass wir als BAK kein fremder Satellit im DPSG-Raum waren, sondern ein integrierter Teil unserer Pfadfinder*innenbewegung. Und so gründeten sich auf allen Ebenen des Verbandes AK Entwicklungsfragen. Auf Bundesebene stand im Vordergrund, pädagogisches Material für die Stufen zum Thema internationale Gerechtigkeit und Entwicklungszusammenarbeit zu entwickeln. Höhepunkte waren die Jahresaktionen zu Themen aus der Partnerschaft, in denen die Stufenarbeit eingebunden war. Die Bundesleitung gab dem BAK EF volle Rückendeckung. Dies spiegelte  sich auch in der Mitarbeit an der damaligen Neufassung der Ordnung des Verbandes, Vernetzung zu den AK EF auf Ebene der Diözesen, Weiterentwicklung des Modells der Partnerschaftsarbeit, aktive Unterstützung und Vernetzung mit den entsprechenden Kreisen im BDKJ, Kooperation mit Misereor, Missio und dem Päpstlichen Missionswerk der Kinder (PMK).

2. Vor 25 Jahren wurde TransFair e.V. gegründet – die Jugendverbände waren maßgeblich daran beteiligt. Was waren eure Ziele, als die DPSG (bzw. der BDKJ) Mitglied geworden ist?
Wir wussten, dass fairer Handel mit den sogenannten Entwicklungsländern mit der Wirtschaft und dem Konsumverhalten der materiell reicheren Länder zusammenhängen muss. Wenn wir also ungerechte Strukturen verändern wollten, mussten wir diese deutlich aufzeigen. Diese Analyse reicht bis in das betriebswirtschaftliche Denken der Unternehmen, besonders derjenigen, die sich im internationalen Handel in Afrika, Lateinamerika und Asien betätigten.
Diese Fehlentwicklungen in unserer Gesellschaft deckten wir auf und brandmarkten sie als ungerecht und damit als zutiefst unchristlich. Das Thema war damals nicht nur Gegenstand im Fachbereich der Entwicklungsfragen, sondern auch in anderen Fachbereichen, die unterschiedlichen Themen des Verbandes bearbeiteten. Durch unsere Vernetzung und aktiven Mitarbeit in den katholischen Interessensvertretungen und Hilfswerken, besonders derjenigen für die Jugendarbeit, haben wir uns mit dem BDKJ und Misereor abgesprochen. Die DPSG war ein in der entwicklungspolitischen Jugendarbeit profilierter international anerkannter Pfadfinder*innenverband. Sie trat dem 1991 gegründete Verein AG Kleinbauernkaffee e.V. bei, der sich 1992 in TransFair e.V. umbenannte. Damit wurden den oftmals theoretisch ablaufenden Diskussionen über ungerechte Handelsstrukturen mit einem praktischen Beispiel als Gegenentwurf glaubhaft begegnet. Der TransFair e.V. entwickelte sich durch die spezialisierte Aktion des Logo- und Lizenzvertrags mitsamt den Kontrollmechanismen zu einem mittlerweile sehr angesehenen und starken Handelspartner. Die Produkte, hergestellt in den sogenannten Entwicklungsländern, können so mit gerechteren Handelspreise versehen werden und führen damit zu gerechteren Löhnen.

3. Gab es zu eurer Zeit im Arbeitskreis Widerstände beim Thema fairer Handel und Gründung von TransFair? Wie seid ihr diesen begegnet?
Natürlich gab es auch innerhalb unseres Verbandes Widerstände, die zu überwinden waren. Bedenkenträger gab es reichlich. Wir hörten Argumente, die politisch und wirtschaftlich darauf zielten, dass bestehende bundesdeutsche Lebensmodell nicht infrage zu stellen. Denn nach dem Modell des fairen Handels zu leben hieße, mehr für die Rohstoffe aus Übersee zu zahlen. Damit wäre der bisherige Wohlstand in westlichen Punkten zu korrigieren gewesen. Dazu war nicht jedes erwachsene Mitglied so ohne weiteres bereit. Nur durch die klare Haltung des Bundesvorstands der DPSG gab es kein Zurück in der Entwicklung des vorhandenen Bewusstseins der Bundes- und der Diözesanebenen.

4. Der faire Handel hat in den letzten 25 Jahren eine beispiellose Entwicklung gemacht: Die Deutschen geben etwa eine Milliarde Euro pro Jahr für fair gehandelte Produkte aus. Hättet ihr das vor 25 Jahren gedacht?
Wir hatten diese erfolgreiche Entwicklung erhofft. Doch vor 25 Jahren wagte es keiner von uns so zu träumen und zu denken, wie die Entwicklung und die Rückschau es heute zeigen.

5. Auch wenn der faire Handel viel erreicht hat, auch bekannte Produkte wie Kaffee haben immer noch einen Marktanteil von nur drei Prozent. Glaubt ihr, dass fairer Handel „Normalität“ werden kann? Was muss dafür passieren?
Dass es einen fairen Handel geben muss, ist im Bewusstsein vieler Menschen schon angekommen. Wir wissen, dass, solange es in Europa den Frieden gibt, sich die Diskussion zwar mühselig aber bestimmt in Richtung Aufklärung über ungerechte Strukturen weiterentwickeln wird. Natürlich tanzt die Gesellschaft der nördlichen Hemisphäre immer um das „Goldenen Kalb“ des materiell reichen Lebensstandards. Doch die Diskussionen z. B. über die Klimakatastrophe, die sog. Armutsflüchtlinge aus Afrika oder die Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten sind nur die andere Seite derselben Medaille. Das Thema fairer Handel wird uns in den Diskussionen solange immer wieder begegnen, bis wir die gesellschaftlich getragene Politik in Richtung Frieden entwickeln können.

6. Heute ist die DPSG seit acht Jahren in Vorstand bzw. Aufsichtsrat des Vereins beteiligt und bringt sich immer wieder in die vereinspolitischen Prozesse ein. Wie habt ihr euch in den Anfangsjahren bei TransFair beteiligt?
In den ersten Jahren haben wir TransFair zunächst politisch den Rücken gestärkt. Dann haben wir dafür gesorgt, dass kirchliche und pfadfinderische Häuser mit den fair gehandelten Produkten versorgt werden. Das war auch nicht selbstverständlich. TransFair musste erst einmal in unseren Strukturen selbst verankert werden. Wir wollten und mussten glaubwürdig bleiben.

7. Auch nach 25 Jahren kauft nicht jeder DPSG-Stamm Fairtrade-Produkte. Mit der Kampagne Fairtrade-Scouts wollen wir das zusammen mit TransFair und Misereor ändern. Wie habt ihr das Thema fairer Handel in die DPSG eingebracht? Was war früher anders?
Da die DPSG sich durch den Wechsel der pfadfinderischen Generationen immer wieder „neu erfinden“ muss, wird der Verband nicht umhinkönnen, die Bildungs- und Erziehungsarbeit immer wieder neu anzusetzen und dies anhand der politischen Realität unserer Gesellschaft widerzuspiegeln. Somit muss es eine Kampagne innerhalb der DPSG für TransFair geben oder wieder geben. Von alleine wird sich kein verändertes Bewusstsein ereignen. Und Werte müssen immer wieder erarbeitet, diskutiert und hinterfragt werden.

8. Was wollt ihr der DPSG zu dem Thema noch mit auf den Weg geben?
Ich wünsche der DPSG einen wachen Geist und eine thematische Auseinandersetzung mit den Inhalten der Ordnung des Verbandes, orientiert an unserer Gesellschaft, beruhend auf den Werten des Pfadfinder*innentums und unseres Christseins.

 

Wer die Arbeit unterstützen und die Idee des fairen Handels in die Stämme transportieren möchte, kann sich als Fairtrade-Scout engagieren. Infos dazu findet ihr hier: www.fairtrade-scouts.de.